Der Mensch macht Pläne und das Schicksal fällt hinter ihm lachend vom Stuhl.

So wollte Ich z.B. einen neuen Online-Kurs und ein Wochenendseminar für den Spätsommer am Schliersee konzipieren. Dann wollte ich mir überlegen, was ich Dir hier schreiben kann, damit Du Lust bekommst einen Kurs bei mir zu machen.

Dieser Anruf durchkreuzte meine Pläne

Dann kam der Anruf meiner alten Freundin Brigitte (Name geändert).

In der Folge habe ich drei Wochen lang ganz andere Sachen gemacht:

Zugehört, praktische Ratschläge gegeben, Klo geputzt, Staub gesaugt, Stall gemistet und repariert, Schnecken im Gemüsebeet abgesammelt, Hühner, Enten, Wachteln, Katzen und Hunde gefüttert, Rasenmäher kaputt gemacht.

Einen alten Freund dabei begleitet, wie er versucht, wieder ins Leben zurück zu finden. Ausgang offen.

 

Er hat während einer lange geplanten und wegen Corona immer wieder verschobenen Herz-OP einen Schlaganfall bekommen. Und seine Frau Brigitte war erst die ganze Zeit im Krankenhaus bei ihm, dann hat sie ihn für eine Woche, bis zum Beginn der Reha, nach Hause geholt.

Das Zuhause ist ein kleiner Selbstversorgerhof mit einem sehr großen, eigenwilligen Hund.
Darum habe ich mich die letzten drei Wochen gekümmert.
Denn das war Brigittes Bitte.

Wir sind seit 40 Jahren befreundet und solche Freundschaften sind auch ein Resilienzfaktor: Jemanden zu haben, den man Anrufen kann, wenn man Hilfe braucht.

Z.B. für Fahrten in die Notaufnahme, Umzüge, mal kurz Wohnung tauschen und seelischen Beistand bei Beziehungsstress geben. Das waren so Momente, als ihre Hilfe echt wichtig für mich war.

Jetzt durfte ich mal. Da war mir noch nicht klar, dass meine Resilienz an einem ganz empfindlichen Punkt getestet würde.

Das war ein Schock

Der Schlaganfall war für alle ein Schock und Brigitte erst mal in einem seelischen Ausnahmezustand.
Ihre Stimmung schwankte zwischen Hoffnung, totaler Verzweiflung und Galgenhumor.

Und dann kommt noch ein gewisser, etwas erratischer, Aktivismus dazu. Brigittes Standard-Stressmuster.

Leute wie ich, die ein Problem erstmal googeln und sich dann einen Plan machen, bekommen damit leicht Schwierigkeiten.

Das solltest Du auf keinen Fall tun

Und hier ein ganz wichtiger Tipp: Versuche niemals mit einem total gestressten Menschen ein Gespräch über mögliche Verhaltensänderungen zu führen. Am besten noch mit so einer leichten Coaching-Attitüde. Es wird schief gehen, glaub mir. 

 

Meine Herausforderung war also vor allem, mich in dieses System einzufügen, meine Art Dinge zu tun, flexibel anzupassen, eigene Bedürfnisse zurückzustellen und – ganz wichtig – nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. 

Das war nicht leicht. Denn es kommt noch eine weitere Schwierigkeit dazu. Brigitte hört schlecht und trägt ihre Hörgeräte nur in der Arbeit. Sie mag sie einfach nicht. Vermutlich ist ihr gar nicht bewusst wieviel Nuancen der Kommunikation dabei auf der Strecke bleiben. Oft weiß ich nicht, ob sie gerade in sich gekehrt ist oder sauer oder etwas einfach nicht gehört hat.

Seit Jahren spreche ich sie immer wieder darauf an. War diesmal ein besonders schlechter Zeitpunkt. 

Da habe ich wieder gemerkt, was ich nicht so gut kann: Über Manches einfach mal hinwegsehen, mich unterordnen und Dinge tun, die ich nicht ganz verstehe.

Mal nichts sagen.

Da hatte mein zartes Ego zwischendurch echt zu kämpfen.

Er wird wahrscheinlich nie wieder der Alte

Als dann mein Freund nach Hause kam, war das noch einmal anders.

Zu sehen, dass sein Humor überlebt hat, vieles aber nicht mehr das ist und vielleicht nie wiederkommt. Seine Hilflosigkeit und die eigene Hilfslosigkeit dabei. 

Zu sehen, wie er nach innen horcht auf der Suche nach etwas, dass er nicht benennen kann.

Es dann bleiben lässt und traurig in die Ferne schweigt.

Das ist für mich schwer auszuhalten.

Im klassischen Storytelling kommt an dieser Stelle jetzt die Problemlösung, aber ich habe ihn nicht, den ultimativen Resilienz-Move für Schicksalsschläge.

Richte den Blick auf die kleinen schönen Dinge

Sich in so einer schwierigen Situation den Blick für die kleinen schönen Dinge zu bewahren hilft sicher: 

Mein Freund war nie der Blumenmitbringer und Gefühlezeiger. Das ändert sich jetzt gerade ein bisschen. „Ich bin froh, dass ich Dich hab“ oder zu mir ein „Danke“ zum Abschied. Hätte er früher nicht gesagt. 

Oder Mila, die tibetische Dogge, der größere der beiden Hofhunde: Hin und wieder stellt diese 70 Kilo Herdenschutzhündin schon mal die Herdenzugehörigkeit bei Besuchern in Frage. Es kommen auch insgesamt weniger Leute als früher und bringen keinesfalls eigene Hunde mit.

Auf mich hört sie jetzt fast genauso oft, wie auf Brigitte. Nur wenn sie unbedingt spielen will, habe ich keine Chance. 

Was habe ich sonst noch gelernt?

Demut im Sinne von Mut zu dienen ist eine unterschätzte Fähigkeit.

Ende offen

Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende. Es ist noch offen, ob mein Freund nach der Reha wieder ein selbstbestimmtes Leben führen kann.

Und ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dauerhaft auf den Hof zu ziehen. Keine leichte Entscheidung. 

Dann hatte ich noch ein sehr schwieriges Telefonat mit meiner Lebensgefährtin. 

Sie wünscht sich von mir schon lange, dass ich mich in unsere Patchworkfamilie so einbringe, wie ich es jetzt bei meiner alten Freundin getan habe. Sie weiß nicht, ob sie darauf noch warten will und fährt jetzt erst mal eine Woche mit ihrer Freundin in die Berge.

Auch hier Ausgang offen.

Jetzt habe ich also auch meine persönliche Zeitenwende. Die Zeichen stehen auf Veränderung und ich bin mir nicht sicher, ob ich das so super finde.

Update Juli 2022

Mein Freund ist aus der Reha zurück und hat unglaubliche Fortschritte gemacht. Bis zu einem selbstständigen Leben ist es allerdings noch ein weiter Weg. Mit Brigittes Art die Situation zu meistern komme ich immer schlechter zurecht und habe mir eine Auszeit genommen. Dafür haben meine Lebensgefährtin und ich einen guten Weg gefunden und darüber bin ich wirklich froh.

Was hat das alles mit Resilienz zu tun?

Zu wissen, dass man Hilfe bekommt, wenn man darum bittet, gibt innere Sicherheit.

Innere Sicherheit hilft, schwierige Erfahrungen in die eigene Persönlichkeit zu integrieren.

 Das ist ein ganz wichtiger Resilienzfaktor.

Deshalb gibt es dafür den Raum in der Community meiner Online-Kurse.

 Ich könnte sicher noch mehr tun, aber das was ich tue ist richtig. Diese innere Führung habe ich mir selbst erarbeitet und Du kannst das auch

 Wie erlebst Du diese Zeit?

Stehen neben den Veränderungen im Großen bei Dir auch persönliche Veränderungen an?

 Ich überlege, ob ich auf meiner Website einen dauerhaften Platz für Diskussion und Austausch einrichten soll. Ich freue mich auf Deine Rückmeldungen und Kommentare.