Konstruktive Alternativen zu Verschwörungstheorien in der Coronakrise
Verschwörungstheorien fand ich bisher eher lustig, auch weil deren Anhänger weit außerhalb meines sozialen Umfelds waren. Die Coronakrise ändert meine Perspektive gerade. Menschen, die mir näher stehen, schicken mir merkwürdige Youtube Videos. Es waren auch Videos von selbsternannten Experten dabei.
In den renommierteren Medien werden deren Behauptungen (…alles gar nicht so schlimm, Maßnahmen sind völlig übertrieben und werden nur dazu genutzt, um unsere Grundrechte einzuschränken …) auf der Basis für mich nachvollziehbarer, wissenschaftlicher Fakten widerlegt.
Tatsächlich habe ich selbst natürlich keine Expertise, sondern vertraue darauf, dass die Wissenschaftler, die unsere politischen Führer beraten, überwiegend wissen, was sie tun. Und wenn dem nicht so wäre, könnte ich davon in den etablierten Medien lesen.
Wieso ist das bei einigen Menschen anders?
Ein paar von ihnen kenne ich ganz gut: Sie sind weder ungebildet noch dumm, bodenständig, hilfsbereit und liebevolle Eltern. Und noch etwas haben Sie gemeinsam: Sie halten an Bildern und Vorstellungen ihr Leben betreffend fest.
Es soll einfach so weitergehen wie vorher: Schulen haben geöffnet, man trifft sich ungezwungen mit Mitmenschen, geht gemeinsam Aktivitäten nach und muss sich über seine Existenz eher weniger Sorgen machen. Nun aber macht der Virus und die aktuelle Vorgehensweise der Politik dem einen Strich durch die Rechnung. Das alles soll jetzt so nicht mehr gehen. Was aber zählt dann noch, wenn unsere Bilder von gelingendem Leben plötzlich keine Geltung mehr haben, wenn das alles nicht mehr “richtig” und “normal” sein kann oder soll. Eine zutiefst verunsichernde Situation, die an Grundfesten unserer Überzeugungen rüttelt. Und wir müssen, zur Untätigkeit verdammt, zusehen,wie das alles zerbricht Das ist natürlich unangenehm.
Niemand fühlt sich gerne über einen längeren Zeitraum ohnmächtig und dem Willen anderer oder des Schicksals oder einem Virus ausgeliefert. Ein naheliegender Ausweg aus dieser Ohnmacht ist es, die Traurigkeit, Angst und Hilflosigkeit besser nicht zu spüren und stattdessen in eine deutlich energievollere, aktivere Emotion zu gehen: In die Wut. Für den Verlust der eigenen Handlungsfähigkeit werden dann eben Dritte verantwortlich gemacht.
Das schafft kurzfristig seelische Entlastung ist aber keine nachhaltige Strategie, weil die innere Not bestehen bleibt.
Was könnte stattdessen wirklich helfen?
Für Krisensituationen brauchen wir Bewältigungsstrategien. Professionelles Coaching setzt Bewältigungsstrategien ein und entwickelt sie durch Techniken und systemische Betrachtungsweisen fort:
Humor zählt dazu. Er hilft in schwierigen Situationen eine innere Distanz zu schaffen. Die in den sozialen Medien kursierenden Coronawitze sind ein Ausdruck dafür.
Eine gute Möglichkeit das Gefühl der Handlungsfähigkeit zurück zu gewinnen, ist etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Ein Freund erzählte mir kürzlich am Telefon von dem guten Gefühl beim Streichen einer Gartenbank. Vielleicht finden Sie auch ein Projekt für sich, das idealerweise auch mal über mehrere Tage geht. Die Baumärkte haben wieder offen. So kommen Sie ins Tun, die Macht liegt wieder in Ihren Händen.
Wichtig ist auch der Austausch mit Freunden. Sprechen Sie über Ihre Sorgen und Ängste. Das Gefühl damit nicht allein zu sein hilft. Vielleicht finden Sie im Gespräch Ideen für eigene Bewältigungsstrategien.
Neulich habe ich von einem Mann gelesen, der die Coronakrise mit dem langen Allgäuer Winter seine Kindheit in der Großfamilie verglichen hat. Da hat er sicher soziale Kompetenzen erworben, die ihm jetzt nützlich sind. Fallen Ihnen eigene Kompetenzen ein, die Sie in früheren Krisen erworben haben und jetzt wieder aktivieren können?
Auch wenn Sie der Krise etwas Sinn stiftendes abgewinnen können, fällt es leichter, durchzuhalten.
Ohne zynisch klingen zu wollen, ist diese Krise durchaus eine Gelegenheit, neue Kompetenzen zu gewinnen und damit Selbstwachstum zu erreichen.
Wie gelingt Selbstwachstum?
Es gelingt, wenn der Schmerz einer leidvollen Erfahrung bewältigt wird. Dann wird sie nicht verdrängt, sondern in unserem Gehirn abgespeichert und für zukünftige Krisen zur Verfügung gestellt.
Was braucht es, damit das gelingt? Eine glückliche Kindheit hilft ungemein. Kinder lernen Schmerz zu bewältigen, wenn sie eine liebevolle und vor allem verständnisvolle Bezugsperson dabei unterstützt und Trost spendet. Das Gefühl auch in Momenten des Scheiterns und des Schmerzes geliebt und verstanden zu werden, hilft uns später im Erwachsenenalter selbständig Gefühle zu regulieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen, wenn es mal dicke kommt.
Und wenn wir mit unseren Eltern ein bisschen oder sogar richtig Pech hatten?
Dann müssen wir das als Erwachsene lernen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, was mir geholfen hat. Mit der Hilfe von guten tiefenpsychologischen Therapeuten, bei denen ich mich wirklich angenommen und verstanden gefühlt habe, konnte ich leidvolle Erfahrungen aufarbeiten. Und auf der Suche nach meiner eigenen Spiritualität bin ich zum Medizinrad gekommen.
Es dient der menschlichen Psyche, als selbstorganisierendes, dynamisches System, als eine Art Landkarte und Orientierungshilfe. Das Medizinrad repräsentiert dabei verschiedenste Aspekte des menschlichen Seins und kann deshalb für eine Vielzahl von Fragestellungen genutzt werden.
Aus systemischer Perspektive stellt das Medizinrad ein Instrument zur Systemerkundung dar und unterstützt Veränderung durch unmittelbare persönliche Erfahrung.
Mit ihm kann ich leidvolle Erfahrungen verarbeiten und Lösungen finden. Ich habe Selbstannahme und innere Führung gefunden.
Wie geht das konkret?
Eine Möglichkeit ist z.B. in den Wald zu gehen und sich vier Bäume zu suchen, die in etwa in den vier Haupthimmelsrichtungen stehen. Ich setze mich in die Mitte dieser Bäume und nehme in einer Meditation Kontakt mit meiner inneren Stimme auf. Das Medizinrad dient mir dabei als Bezugsrahmen, da jeder Himmelsrichtung bestimmte Qualitäten zugeordnet sind: Im Süden ist das Vertrauen im Norden der logische Verstand usw.. Damit es funktioniert ist Geduld und viel Übung erforderlich.
Vielleicht wäre das ja auch was für Sie?