Wie wir in diesen Zeiten gelassen und handlungsfähig bleiben
In meinen Gesprächen mit Klienten und Kunden der letzten Zeit ist mir eine beunruhigende Gemeinsamkeit aufgefallen. Es fällt ihnen sehr schwer, sich wirklich ganz zu entspannen. Ein Klient meinte wörtlich: “Ich schaffe es nicht mehr wirklich ganz runter zufahren“. Ich beobachte dieses Phänomen auch an mir. Ohne aktives Dazutun durch meditieren, spüre ich auch diesen latenten Alarmmodus in mir. Durch die soziale Isolation entsteht zusätzlich so ein leicht surreales Lebensgefühl. Während ich das schreibe, sitze ich auf einer Bank am Waldrand mit Blick auf den Hochfelln, gleich hinter meinem Haus. Es ist ruhig und idyllisch wie immer, der ideale Platz zum schreiben. Aber der Gegenpol fehlt, vertraute Menschen und lebendiger Austausch an der Cafe-Bar im Coworking. Da fühlt sich der schönste abgelegene Ort irgendwann nur noch seltsam an.
Diese abstrakte Bedrohung durch die Coronakrise droht uns mental langsam auszuzehren. Gleichzeitig müssen viele von uns Außerordentliches leisten. Nicht wenige müssen sich beruflich ein Stück weit neu erfinden. Aus der Not heraus müssen viele von uns, ob Freiberufler, Unternehmer oder Führungskraft, ihr Geschäftsmodell irgendwie digitalisieren, um im Geschäft zu bleiben. Die Not macht viele von uns so erfinderisch wie selten zuvor.
Große Herausforderungen in Kombination mit einer eher mittelmäßigen mentalen Verfassung sind keine gute Mischung.
Um eine Veränderung zu mehr mentaler Stärke zu erreichen, hilft es zu verstehen, wie unser Gehirn bei Stress tickt.
Je nach Stresslevel hält unser Gehirn verschiedene Überlebensprogramme bereit.
Bei sehr hohem Stresslevel übernimmt unser Reptiliengehirn das Steuer. Es kennt nur drei basale Grundinstruktionen: angreifen, weglaufen oder tot stellen. Die Verbindung zu höheren Gehirnfunktionen im präfrontalen Kortex, dem Zentrum für Sprache, Werte und logisches Denken, ist auf ein Minimum reduziert. Das hat für unsere Vorfahren durchaus Sinn gemacht. Mit einem Säbelzahntiger diskutiert man nicht! Wir sind die Nachfahren derer, die rechtzeitig abgehauen sind (Todesmut ist aus meiner Sicht eine völlig überschätzte Charaktereigenschaft).
In diesem Bewusstseinszustand sind wir also in unserer viel komplexer gewordenen Welt nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Wie kommen wir da schnell wieder raus?
Z.B. mit etwas genauso Archaischem: Trinken. Wenn sie trinken, signalisieren Sie Ihrem Gehirn, dass die Gefahr vorüber ist. Kein Tier trinkt am Wasserloch, wenn der Tiger in der Nähe ist. Reden hilft auch. Wenn Sie Ihre Gefühle verbalisieren, stärken Sie die Verbindung zum präfrontalen Kortex. Sie können also wieder besser denken. Was noch hilft ist Bewegung. Gehen Sie spazieren. Bewegung hilft dem Körper Stresshormone abzubauen. Übertreiben Sie damit aber nicht, das führt zu neuem Stress. Wo Sie diese drei Interventionen in perfekter Kombination beobachten können, ist bei den Stars der Tech-Szene im Silicon Valley. Wenn diese einen Vortrag vor großem Publikum halten, sind sie sicher auch etwas unentspannt. Deswegen laufen die beim Reden mit einem stylischen Headset und einer Wasserflasche in der Hand die Bühne auf und ab. Scheint ganz gut zu funktionieren.
Für den etwas moderateren Stresslevel („könnte sein, dass es hier Säbelzahntiger gibt“) hat unser Gehirn den Objekterkennungsmodus. Wir können dann zwar denken, sind aber stark auf Einzelheiten fokussiert („Wo ist der Säbelzahntiger?“). Das ist schon besser als der Reptilienhirnmodus, aber immer noch nicht gut um wichtige Entscheidungen zu treffen. Es fehlt der Überblick über das große Ganze. Dafür brauchen Sie das Extensionsgedächtnis der rechten Gehirnhälfte. Von dort kommen Geistesblitze, andere plötzliche Eingebungen und das ungute Bauchgefühl, kurz bevor Sie einen Riesenfehler machen.
Um diese gerade in diesen Zeiten extrem wertvolle Ressource vollumfänglich zu erschließen braucht es etwas mehr, darüber schreibe ich später ausführlicher oder sie holen sich mein E-Book. Auf die Schnelle hilft Folgendes: Entspannen Sie sich!
Das funktioniert bei vielen Menschen sehr unterschiedlich. Einigen hilft Bewegung, anderen Mentaltechniken wie meditieren.
Hier ist eine einfache kurze Übung, die beides kombiniert:
Gehen Sie spazieren. Am besten wählen Sie dafür einen Ort, an dem sie nicht auf jeden Schritt achten müssen, um z.B. nicht jemanden ungewollt anzurempeln (dürfte zur Zeit einfacher sein). Parken Sie ihren Blick irgendwo vor ihnen in 10 Meter Entfernung ohne zu fokussieren. Versuchen Sie die vollen 180 Grad ihres Blickfeldes vollkommen gleichgültig wahrzunehmen. Wenn Sie dennoch etwas fokussieren, kehren Sie zu diesem Punkt in 10 Meter Entfernung vor ihnen zurück. Das ist sehr ungewohnt und wird nicht gleich klappen. Seien Sie nicht zu streng mit sich und spielen mit dieser Übung vielleicht 15 – 30 Minuten. Wenn Sie genug haben, halten Sie nach einer Parkbank oder einer anderen Sitzgelegenheit Ausschau und nehmen Sie Platz.
Sitzen Sie mit aufrechter Wirbelsäule ohne sich anzulehnen. Legen Sie die Hände auf den Oberschenkeln ab oder in der Mitte vor ihrem Bauch die rechte in der linken Hand (einfach was ihnen mehr liegt). Schließen Sie die Augen. Lassen Sie Ihre Schultern los und spüren Sie, wie Sie mit jedem Ausatmen tiefer in die Erde sinken. Geben Sie Ihr Gewicht und alles was auf ihnen lastet an die Erde ab. Beim Einatmen spüren Sie den Himmel über sich. Geben Sie der Lunge Raum.
Nun stellen Sie sich eine Nabelschnur vor, die eine Verbindung zwischen Ihrem Bauchnabel und der Erde herstellt. Lassen Sie sich Zeit, bis das Bild vor Ihrem inneren Auge klar ist. Jetzt atmen Sie durch diese Nabelschnur die Energie der Erde ein und führen sie über die Wirbelsäule bis hinauf zum Scheitel. Mit dem Ausatmen lassen Sie blaue Farbe oder blaues Licht auf oder unter der Haut nach unten rieseln, ganz wie es geschehen mag.
Wiederholen Sie das wenigstens sieben mal. Bitte seien Sie auch hier geduldig mit sich, wenn Ihnen das Atmen und gleichzeitige Visualisieren nicht gleich gelingt. Probieren Sie es ein paar mal aus und spüren Sie nach, ob es Ihnen gut tut.
Sie müssen nicht unbedingt beide Übungen zusammen machen. Sie können sie auch separat erproben.
Ich nutze vor allem die Atem- und Visualisierungsübung z.B. um mich vor einem wichtigen Gespräch zu sammeln und Kraft zu schöpfen.
Ich hoffe, das hilft Ihnen ein wenig durch diese spezielle Zeit und freue mich, wenn Sie mir zu Ihren Erfahrungen eine kurze Rückmeldung geben.
Bleiben Sie gesund!
Spannend!
Das werde ich demnächst ausprobieren.
Freut mich!