Neulich war ich mit meinen 17 und 18-jährigen Kids spazieren. Sie leben nicht bei mir und normalerweise gehen wir zusammen essen, wenn ich Sie mal spontan sehen will. Aus irgendeinem Grund sind Sie bei gutem Essen am gesprächigsten und ich erfahre auch mal Sachen zu schwierigeren Themen. Ein Spaziergang funktioniert nicht ganz so gut aber was will man in der Pandemie sonst machen?
Beide machen auf einer Montessorischule in diesem Jahr wahrscheinlich oder vielleicht ihr Fachabitur und deshalb war das auch Gesprächsthema. Dabei habe ich wieder mal gelernt, dass meine Kinder und ich uns in unseren Wertvorstellungen doch erheblich unterscheiden.
Für sie ist es absolut unvorstellbar, etwas zu tun, was für sie keinen Sinn macht. Beispielsweise für ein Schulfach zu lernen, das sie nicht interessiert.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen

Ich habe in meiner Schulzeit für Fächer, die mir nicht lagen, auch nur das Notwendigste getan, hatte deswegen aber permanent ein schlechtes Gewissen. Außerdem war die Schule blöd und die Lehrer überwiegend langweilig, konservativ und autoritär.
Das ist bei meinen Kids anders. Sie haben mit ihren Lehrern eine Beziehung auf Augenhöhe und duzen sich. Der Unterricht ist abwechslungsreich. Interessen und Talente werden individuell gefördert.
Meine Erwartung wäre, dass sie mit großer Begeisterung alle sich bietenden Angebote nutzen. Darauf angesprochen habe ich nur verständnislose Blicke bekommen.
Ich glaube, sie haben mich nicht mal verstanden.
Meine Tochter war schon mit drei Jahren so. Als ich ihr einmal ausführlich erklärt habe, warum ich ein bestimmtes Verhalten missbillige und was ich mir stattdessen von ihr wünsche, hörte sie mir in ihrem Naturholz-Bio-Kinderstuhl gelassen zu und meinte dann lapidar: „Hab‘ ich aber trotzdem gemacht“.
Ich hätte schon damals aufgeben sollen.

Muss ich mir Sorgen machen?

Nach dem Gespräch war ich zunächst besorgt. Was soll aus meinen Kindern werden? Wie werden sie sich im Arbeitsleben bewähren?
Dann habe ich neulich ein spannendes Interview mit einem Experten für diese Generation Z gesehen. Sein Geschäftsmodell ist die Beratung von Firmen die mit den Gen Z Berufseinsteiger*innen irgendwie klarkommen müssen. Seine Ausführungen waren bemerkenswert:
Hierarchische Strukturen werden abgelehnt. Jede Aufgabe wird auf ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt. Für längere Zeit eine Aufgabe erledigen? Geht gar nicht! Dafür beherrscht die Generation Z echtes Multitasking und kann wirklich drei Sachen gleichzeitig machen (meine Tochter kann z.B. gleichzeitig Netflix gucken, sich die Nägel mit ausgefallenen Designs gestalten und mit ihren FreundInnen im Gruppenchat konferieren).
Wenn man ihnen blöd kommt und sie von oben herab behandelt, lassen Sie einen stehen und kommen am nächsten Tag nicht mehr.
Meine Kinder sind also völlig normal.
Der Experte aus dem Interview meinte, dass Unternehmen große Probleme haben, freie Arbeitsplätze mit guten Fachkräften zu besetzen und der Beratungsbedarf immens ist.
Den Unternehmen bliebe gar nichts anderes übrig, als sich anzupassen.

Eigentlich sind das sehr gute Nachrichten.

Ich bin zwar nicht ganz sicher, ob alle zukünftigen Mitarbeitenden so kompromisslos sind, wie meine Tochter, aber ich wünsche es mir.
Tatsächlich kann man im Personalmarketing das Thema Purpose seit einiger Zeit als großen Trend beobachten. Unternehmen wollen die Welt zu einem besseren Ort machen. Und New Work bedeutet eben auch die Abkehr von alten, hierarchischen Strukturen.
Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und Unternehmen wie einen dynamischen, sich selbst organisierenden Organismus betrachten, der sich permanent aus sich selbst heraus den sich verändernden Rahmenbedingungen anpasst, um im Geschäft zu bleiben.
Dazu habe ich einen Beitrag im Forum Nachhaltig Wirtschaften veröffentlicht.
Dort erfahren Sie auch, wie Unternehmen damit erfolgreich sind und wie sie das konkret angehen können.
Viel Spaß beim Lesen!